Kapitel III: Regeln, Modelle, Kombinationen – Wie ein technisches Fundament gute Moderation möglich macht

In Kapitel II unserer Case Study ist im Rahmen der digitalen Kommentarmoderation eines klar geworden: Nicht jede Herausforderung braucht sofort ein komplexes KI-Modell. Manchmal ist die einfachste Lösung die effektivste – zumindest für bestimmte Anwendungsfälle. Während viele Debatten sich auf große Sprachmodelle fokussieren, zeigt die Praxis: Ein gutes Regelwerk ist oft der stabilste Anker.


Regelbasiert heißt nicht veraltet
Regelsysteme folgen einfachen Prinzipien: „Wenn A, dann B“. Ein Kommentar enthält eine Telefonnummer? Wird gelöscht. Eine bestimmte Beleidigung? Wird blockiert. Klingt simpel – ist aber in vielen Fällen enorm wirkungsvoll.

Was regelbasierte Systeme leisten:

  • Klarheit & Transparenz: Entscheidungen sind nachvollziehbar. Regeln wie „Keine Telefonnummern“ oder „Blockiere Wort X“ machen Prozesse prüfbar – auch im rechtlichen Sinne.

  • Konsistenz: Gleicher Kommentar, gleiche Bewertung. Das schafft Vertrauen und verlässliche Moderationsentscheidungen.

  • Datenschutz & Compliance: Besonders bei sensiblen Inhalten (z. B. Adressen oder Telefonnummern) lassen sich über reguläre Ausdrücke (Regex) besonders robuste und DSGVO-konforme Filter einrichten.

  • Hohe Effizienz bei klaren Fällen: Werbung, offensichtlicher Spam, gängige Schimpfwörter – hier schlagen regelbasierte Systeme oft jedes neuronale Netz in Tempo und Präzision.

Aber Regeln stoßen an Grenzen
Denn Sprache entwickelt sich weiter – und mit ihr auch die Strategien der Nutzer:innen, um Regeln zu umgehen. Wer Begriffe bewusst verfremdet – etwa durch Sonderzeichen, Emojis oder alternative Schreibweisen – testet gezielt die Grenzen klassischer Filterlogik und umgeht damit einfache Blacklists.

Dazu kommt:

  • Hoher Pflegeaufwand: Regelwerke müssen laufend aktualisiert und getestet werden – besonders bei gesellschaftlichen Veränderungen, neuen Trends oder Plattformcodes.

  • Kontextlosigkeit: Ein Satz wie „Ich liebe es, wie rassistisch das hier wieder ist“ kann – je nach Tonfall und Kontext– entweder kritische Ironie oder tatsächliche Zustimmung ausdrücken. Ein Regelwerk erkennt diesen Unterschied nicht, weil es den Dialogverlauf und die Intention nicht einbezieht.

  • Keine Abstufung: Jedes Regelmatching ist gleichwertig – eine differenzierte Gewichtung fehlt.

Große Sprachmodelle können mehr – aber auch nicht alles
Große KI-Modelle wie GPT oder LLaMA liefern genau das, was Regeln fehlt: Kontextverständnis, semantische Einschätzung, Nuancenbewusstsein. Sie erkennen subtile Beleidigungen, implizite Herabsetzungen oder ironisch gemeinte Inhalte – oft sogar bei neuen Formulierungen.

Aber auch hier gilt:

  • Zu vorsichtig oder zu kreativ: KI-Modelle interpretieren – und manchmal über. Ein ironisch formulierter Kommentar kann schnell als Hassrede gewertet werden. Zudem variieren die Bewertungen je nach Modellversion, Temperatur oder Prompt.

  • Nachvollziehbarkeit fehlt: Warum ein Kommentar als kritisch markiert wurde, ist oft schwer zu begründen. Das macht die KI schwerer überprüfbar – insbesondere in redaktionellen Kontexten.

  • Feintuning ist komplex: Während Regelwerke punktuell angepasst werden können, erfordern KI-Modelle Training, Tests und viel Prompt Engineering – besonders bei sensiblen Themen.

Die Kombination macht den Unterschied
Die Erfahrung aus der Systementwicklung zeigt: Kein System kann alles gleich gut. Die wirkungsvollste Strategie ist eine abgestufte Kombination:

  • Regeln für klare Fälle: Persönliche Daten, Spam, einfache Beleidigungen – hier sind Regeln schnell, transparent und verlässlich.

  • KI für Graubereiche: Kontext, Tonalität, Eskalationen – hier helfen große Modelle, Muster zu erkennen, ohne auf jedes Schlagwort angewiesen zu sein.

  • Menschliche Kontrolle dazwischen: Systeme sollten so gestaltet sein, dass sie Vorschläge liefern – aber die letzte Entscheidung beim Menschen bleibt.

Fazit: Technologische Vielfalt, redaktionelle Klarheit
Effiziente Moderation entsteht nicht durch ein einzelnes System, sondern durch ein durchdachtes Zusammenspiel. Wer Regeln richtig einsetzt, spart Ressourcen. Wer KI gezielt ergänzt, erkennt mehr. Und wer Systeme flexibel konfiguriert, bleibt handlungsfähig – auch wenn sich Sprache, Themen oder Plattformen verändern.
Das CMT ist genau für diese Balance konzipiert: klar bei Standards, lernfähig bei Nuancen und offen für redaktionelle Kontrolle. Denn erfolgreiche Moderation braucht mehr als Technologie – sie braucht Struktur, Anpassungsfähigkeit und ein tiefes Verständnis für das Zusammenspiel von Technik und Redaktion

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Chapter III: Rules, Models, and Hybrids – How a Strong Technical Foundation Enables Effective Moderation

In Chapter II of our case study on digital comment moderation, one insight became clear: not every challenge calls for a complex AI model. Sometimes, the simplest solution is the most effective—at least for specific use cases. While much of the public debate centers around large language models, real-world experience shows that a well-structured rule set is often the most reliable foundation.


Rules Aren’t Outdated
Rule-based systems operate on clear logic: “If A, then B”. A comment includes a phone number? Delete it. Contains a specific slur? Block it. It may sound basic—but in many situations, it’s incredibly effective.

What Rule-Based Systems Offer:

  • Clarity & Transparency: Decisions are traceable. Rules like “No phone numbers” or “Block word X” make moderation processes verifiable—even in legal contexts.

  • Consistency: Same comment, same outcome. This builds trust and ensures reliable moderation.

  • Data Protection & Compliance: Especially with sensitive content (like addresses or phone numbers), regular expressions (regex) can create robust, GDPR-compliant filters.

  • Efficiency in Clear-Cut Cases: For spam, ads, and common slurs, rule-based systems often outperform neural networks in both speed and accuracy.

But Rules Have Their Limits
Language evolves—and so do users’ tactics to bypass filters. People deliberately obfuscate words with symbols, emojis, or alternate spellings, pushing rule-based systems to their limits.

And there’s more:

  • High Maintenance: Rule sets need constant updates and testing, especially as social norms, trends, or platform cultures shift.

  • Lack of Context: A sentence like “I love how racist this is again” might be ironic criticism—or genuine approval. Rules can’t tell the difference, since they don’t consider tone or conversational context.

  • No Nuance: Every rule match is treated equally—there’s no room for grading or weighing severity.

What Large Language Models Do Better—And Where They Still Fall Short
Large AI models like GPT or LLaMA offer what rules can’t: context awareness, semantic understanding, and nuance. They can catch subtle insults, implied slights, or sarcastic remarks—even in newly coined phrases.

But they have limitations too:

  • Over-Interpretation: AI models often err on the side of caution—or creativity. Sarcastic remarks can be flagged as hate speech. Interpretations may vary depending on the model version, temperature, or prompt.

  • Opacity: It’s often unclear why a comment was flagged, making AI decisions harder to audit—especially in editorial environments.

  • Complex Fine-Tuning: While rule sets can be adjusted surgically, AI models require training, testing, and extensive prompt engineering—particularly in sensitive domains.

The Power Lies in Combination
Our system development experience shows: no single system excels at everything. The most effective approach is a layered strategy:

  • Rules for the Clear-Cut: Personal data, spam, slurs—rules handle these fast, transparently, and reliably.

  • AI for the Grey Areas: When context, tone, or escalation matter, large models help identify patterns without relying solely on keywords.

  • Human Oversight in Between: Systems should suggest actions—but the final decision must stay with the human moderators.

Conclusion: Technological Diversity, Editorial Clarity
Efficient moderation doesn’t rely on a single tool. It stems from the smart interplay of systems. Used wisely, rules save resources. When applied strategically, AI adds insight. And systems that allow flexible configuration ensure you stay responsive—even as language, topics, or platforms evolve.

CMT was designed with this balance in mind: strict with standards, adaptive to nuance, and open to editorial control. Because successful moderation isn’t just about technology—it’s about structure, flexibility, and a deep understanding of how tech and editorial work together.